Hauptwerke
Übersicht über die Hauptwerke von Richard Wagner, welche regelmäßig bei den Bayreuther Festspielen aufgeführt werden.Erlösung angeklebt
Eine Bastelarbeit Richard Wagners
von Werner Hintze
Das Altern ist keine leichte Angelegenheit. Wenn es losgeht, merkt man es gar nicht, und wenn es einem auffällt, ist es zu spät, sich noch daran zu gewöhnen. Dass der Prozess im Gange ist, merkt man spätestens, wenn man zum ersten Mal erstaunt oder indigniert auf etwas schaut, was man als junger Mensch gemacht hat, und sich nicht nur fragt, wie man auf diese Idee kommen konnte, sondern auch sicher ist, dass es ganz falsch war. Manch ein Künstler ist so auf den Gedanken gekommen, ein «fehlerhaftes» Jugendwerk zu vernichten oder wenigstens umzuarbeiten. Die Geschichte der Kunst kennt Fälle, wo solche späteren Überarbeitungen von Vorteil waren, nicht selten aber zeigen sie nur, dass der Autor sein Werk selbst nicht mehr verstand.
Als Richard Wagner 1860 die Partitur des Fliegenden Holländers vornahm, um eine Aufführung der Ouvertüre in einem Pariser Konzert vorzubereiten, muss er wohl heftig zusammengefahren sein. Zwar hatte er die blechlastige Instrumentation seines Jugendwerks schon einige Jahre vorher gründlich entschlackt, aber – seine Oper war ja unvollständig! Unbegreiflicherweise hatte der junge Komponist gerade den Punkt ausgelassen, der dem knapp Fünfzigjährigen der wichtigste geworden war: Die Erlösung des unglücklichen Seefahrers durch die hingebungsvolle Treue der jungen Frau – er hatte sie gar nicht komponiert! Wie hatte es dazu kommen können? Wagner erklärte sich das so, wie sich viele die ihnen plötzlich auffallenden Untaten ihrer Jugendzeit erklären: Er hat es damals nicht besser gewusst. Aber nun, rund 20 Jahre später, nun war er klüger, nun könnte ihm so etwas nicht wieder passieren. Zwar war als mildernder Umstand geltend zu machen, dass dem jungen Mann die Mittel gar nicht zur Verfügung gestanden hätten, diesen Erlösungsvorgang in Musik zu setzen. Aber nachdem der Holländer-Komponist zum Schöpfer des Tristan gereift war – nachdem Isoldes Verklärung komponiert war –, nun wurde es Zeit, korrigierend einzugreifen.
Also nimmt Wagner Schere und Kleister zur Hand, schneidet je ein Stück vom Ende der Ouvertüre und der Oper ab und klebt einen neuen Schluss an: Zweimal zehn Takte, die den Aufstieg Sentas und des Holländers aus den Meeresfluten in das klare Himmelsblau beschreiben. Dann betrachtet er seine Bastelarbeit, findet dass sie gelungen sei, ordnet an, dass sein Werk nur noch in dieser revidierten Form gespielt werden soll und – hat sich ein neues Problem eingehandelt. Hätte sich der neue Schluss nahtlos anfügen sollen, hätte er gerade mit den Mitteln komponiert werden müssen, die untauglich schienen, also schrieb Wagner zweimal zehn Takte im Stil des Tristan und nahm damit in Kauf, dass der Bruch zwischen der ursprünglichen Konzeption und ihrer Veränderung unüberhörbar wurde: Ruckartig wird das Tempo verlangsamt, der Klang wird weich und rund wie bisher an keiner Stelle des Werkes, der Geruch nach Meer, Tang, Tran und fauligen Schiffsplanken, der die Partitur durchströmt, weicht dem eines erlesenen Parfüms. Aus dem Orchester rauschen Harfenarpeggien auf, über denen die Holzbläser das Motiv der Erlösung intonieren, sanft treten die Streicher hinzu und führen das Werk zu einem versöhnenden Schluss.
Das ist ohne Zweifel sehr schön gemacht und auch inhaltlich ganz richtig (und schließlich ist so ein abschließendes Bad im reinen Wohlklang auch angenehmer als der Untergang in den sturmgepeitschten Wogen), aber künstlerisch ist das Ergebnis unbefriedigend. Um seinen Zweck wirklich zu erreichen, hätte Wagner das Stück vollständig umarbeiten, nicht nur einen neuen Schluss anfügen müssen. So erweist er lediglich auf übertrieben luxuriöse Weise (die Harfe spielt am ganzen Abend nicht mehr als diese zweimal zehn Takte) sein Unverständnis für das eigene Werk. Zum Glück ist der Fehler reparabel, indem wir uns über Wagners Festlegung hinwegsetzen, den angeklebten Schluss wegschneiden und das Stück so spielen, wie es der junge Mann mit voller Sicherheit für richtig erkannt hat.
Aber es lohnt sich, diese missglückte Bastelei immer wieder einmal zu betrachten. Denn wir können zweierlei aus diesem Scheitern entnehmen: Zum einen, dass auch ein Genie nur ein Mensch ist und gelegentlich ausgesprochen Ungeniales produziert, zum anderen, dass wir gut daran tun, uns, je älter wir werden, desto öfter, die Worte des Marquis von Posa ins Gedächtnis zu rufen, die Wagner sich nicht zu Herzen genommen hat: «Sagen Sie / Ihm, dass er für die Träume seiner Jugend / Soll Achtung tragen, wenn er Mann sein wird.»
Der Text ist urheberrechtlich geschützt, alle Recht beim Autor des Textes, Werner Hintze.
Handlung
Erster Aufzugnur eine unerschüttert stehn:
so lang der Erde Keime treiben,
so muss sie doch zugrunde gehen.
Tag des Gerichtes! Jüngster Tag!
Wann brichst du an in meiner Nacht?
Wann dröhnt er, der Vernichtungsschlag,
mit dem die Welt zusammenkracht?
Wann alle Toten auferstehn,
dann werde ich in Nichts vergehn, in Nichts vergehn…
Ihr Welten, endet euren Lauf!
Ew’ge Vernichtung, nimm mich auf!“
Zweiter Aufzug
In einer Stube erwarten die Mädchen singend und spinnend die Rückkehr ihrer zur See fahrenden Liebsten. Nur Senta verweigert sich und trägt stattdessen die Ballade vom „Fliegenden Holländer“ vor, dessen Schicksal sie rührt. Senta wird vom jungen Jäger Erik umworben, der besorgt die Träumereien seiner Liebsten wahrnimmt, die immer vor dem düsteren Bild des Seefahrers alles Andere zu vergessen scheint. Senta fühlt sich berufen, den „armen Mann“ zu erlösen. Verzweifelt verlässt Erik das Mädchen, als Sentas Vater mit dem Holländer das Zimmer betritt. Senta weiß nun, dass ihr beschieden ist, das Erlösungswerk zu vollbringen. Zwischen ihr und dem Holländer entsteht ein inniges Einverständnis, und die Verbindung wird vorbereitet.
Dritter Aufzug
Im dritten Aufzug rüsten die Seeleute zum Fest (Steuermann lass die Wacht). Verwegen versuchen sie auch die Mannschaft des Holländer-Schiffes einzuladen, doch aus dem Schiff schallt ihnen nur beängstigendes geisterhaftes Dröhnen entgegen, so dass sie entsetzt und verängstigt fliehen. Erik bittet Senta noch einmal, sich ihrer früheren Vertrautheit und Liebe zu entsinnen, und erinnert sie daran, dass sie ihm ewige Treue gelobt habe, was Senta erschrocken leugnet. Der eintretende Holländer hat das Gespräch mitgehört und ist sich sicher, dass auch Senta ihm nicht die erhoffte Treue halten kann und wird. Um sie vor der Verdammnis zu bewahren, erzählt er ihr (was sie längst weiß) von seinem Fluch (Erfahre das Geschick, vor dem ich Dich bewahr). Er eilt zu seinem Schiff, um auf ewig unerlöst zu bleiben. Doch Senta setzt ihm nach, verkündet nochmals laut, ihm treu […] bis zum Tod zu sein, und stürzt sich von dem Felsen ins Meer. Augenblicklich versinkt das Schiff des Holländers in den Fluten. Der Holländer ist erlöst. – In einer späteren Korrektur des Schlusses (1860) sieht man zur Musik mit dem „Erlösungsmotiv“ den Holländer und Senta aus dem Meer zum Himmel aufsteigen.
Quelle: www.wikipedia.de