© Badisches Staatstheater Karlsruhe, Siegfried 2019

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03.10.2018
Gesangswettbewerb Wagnerstimmen in Karlsruhe
Im Badischen Staatstheater stellen sich sechs junge Opernsänger dem Urteil des Publikums und einer Jury
Bericht und Photos: Selma Gudmundsdottir

Betreff: Badisches Tagesblatt

Unter makellos-blauem Karlsruher Herbsthimmel, in warmer Septembersonne, fanden von 27. bis 30. September die Tage des Gesangwettbewerbs in Karlsruhe statt. Ein umfangreiches Programm war einmal mehr vom örtlichen Wagner Verband in Zusammenarbeit mit dem Badischen Staatstheater, der Stadt Karlsruhe und dem Richard Wagner Verband International vorbereitet worden. Von den 87 jungen Sänger/Innen, die sich ursprünglich gemeldet hatten, wurden im Sommer 30 in Bayreuth zum Vorsingen eingeladen und davon wurden schliesslich 18 Sänger zur Teilnahme an diesem 9. Internationalen Gesangwettbewerb ausgewählt.

Das Semifinale, mit Klavierbegleitung, fand am Donnerstag 27. September statt. Das Niveau der Teilnehmer war ausnehmend hoch und es ist der Jury wahrscheinlich nicht leicht gefallen die 6 Finalisten zu bestimmen. Unter den Finalisten, die zusammen mit der Badischen Staatskapelle auftraten, waren zwei Soprane aus Deutschland und Schweden, Armenia Friebe und Jessica Elevant, eine Mezzosopranistin aus Russland, Anna Buslidze und eine Alt-Stimme aus den USA, Ariana Lucas. Dazu kamen zwei Männer, Insu Hwang, Bass-Bariton aus Süd-Korea und Christoph Seidl, Bass aus Österreich.

Den ersten Preis bekam die umjubelte Jessica Elevant aus Schweden zugesprochen, die auch den Publikumspreis erringen konnte. Sie war auch die jüngste Teilnehmerin mit ihren nur 28 Jahren. Den Wolfgang-Wagner-Preis teilten sich die männlichen Sänger, Insu Hwang und Christoph Seidl. Ariana Lucas bekam den Peter-Selbach-Förderpreis.

Alle Vorbereitung des Wagner Verbandes Karlsruhe, mit dem Ex-Vorsitzenden Hans Michael Schneider und neuem Vorsitzenden Matthias Krahnert waren hervorragend gelungen. Neben den zwei Wettbewerbskonzerten gab es ein Sonderkonzert der Badischen Staatskapelle mit Wagner und Bruckner unter Leitung von Justin Brown und am letzten Tag die Götterdämmerung in der Regie von Tobias Kratzer und unter der musikalischen Leitung Justin Browns.

Im Begleitprogramm wurden zwei Führungen am Freitag 28. September angeboten: Die erste unter der Leitung von Renate Staub und Hans-Michael Schneider auf den Spuren von Wagners Nibelungen in Karlsruhe und die zweite unter Leitung von Hans-Michael Schneider in der Musikhochschule. Sehr viele Wagner Verbände blieben der Veranstaltung leider komplett fern, wobei sie eine - im Sinne der Nachwuchsförderung - sehr wichtige und in allen Belangen absolut gelungene Veranstaltung auf höchstem Niveau verpasst haben.

Von den Stellvertretenden RWVI-PräsidentInnen waren von Anfang an dabei: Hans-Michael Schneider und Alessandra Pugliese. Letztere hatte die Jury an Stelle von Eva Wagner-Pasquier (erkrankt) geleitet sowie die Präsidiumsmitglieder Karl Russwurm mit Frau Esther (München) und Selma Gudmundsdottir (Reykjavik).

Zum Finale angereist: RWVI-Präsident Horst Eggers mit Frau Inge und Gisbert Lehmhaus aus Düsseldorf.
 
Wagnerstimmen der Zukunft

Im Badischen Staatstheater stellen sich sechs junge Opernsänger dem Urteil des Publikums und einer Jury

Von Sabine Rahner

So ganz präzise kann es niemand in Worte fassen: Was ist eine Wagnerstimme und welches sind ihre untrüglichen Zeichen? Die Initiatoren des jetzt zum neunten Mal - und in Karlsruhe bereits zum vierten Mal hintereinander - ausgetragenen Internationalen Wettbewerbs für Wagnerstimmen verweisen gern auf die extreme Dauer der Opern, auf den stimmlich heiklen Kraftakt, den etwa ein Tristan zu bewältigen hat, auch auf das massiv besetzte Orchester, das es klanglich zu überwinden gilt.

Und dann kommt eine junge Schwedin auf die Bühne, singt mit metallisch-glitzerndem Sopran vollkommen mühelos "Dich teure Halle seh ich wieder?" - die Arie der Elisabeth aus dem "Tannhäuser" - und jeder im Saal weiß es: Das ist eine großartige, außergewöhnliche Stimme, die mit Wagners Herausforderungen kein Problem hat. Spontan denkt man sogar an die Ikone Birgit Nilsson.

Die 28-jährige Jessica Elevant hat beim Finalkonzert im gut besuchten Großen Haus des Badischen Staatstheaters mit zwei Auftritten nicht nur das Publikum überzeugt, sondern auch die Jury. Beide gaben, ungewöhnlich genug, ihren Preis dieser Sängerin, die sich in den zurückliegenden Monaten erstaunlicherweise weniger mit Musik als vielmehr mit Physik beschäftigt hat, denn darin schrieb sie eine Doktorarbeit.

Sechs Finalisten standen am Samstagabend zur Wahl, sie hatten mehrere Auswahlverfahren durchlaufen und waren von einer international besetzten Jury aus 81 Bewerbern ausgewählt worden. Der alle drei Jahre stattfindende Wettbewerb wurde 1991 von den internationalen Wagner-Verbänden in Lyon ins Leben gerufen, unterstützt vom damaligen Bayreuther Festspielleiter Wolfgang Wagner. Aus der Wagner-Familie hätte in diesem Jahr Eva Wagner-Pasquier die Jury leiten sollen, doch sie sagte krankheitsbedingt ab. Die Juroren kamen überwiegend aus großen europäischen Opernhäusern, auch die neue Karlsruher Operndirektorin Nicole Braunger war dabei. Einig sind sich alle Verantwortlichen, dass Wagnerstimmen Zeit brauchen, um zu reifen und sich zu festigen, und deshalb auch auf eine spezielle Förderung angewiesen sind. Der Wettbewerb hat eine Altersgrenze bei 35 Jahren gezogen. Beim Finale in Karlsruhe hat nun aber gerade die Jüngste unter den Teilnehmern konkurrenzlos überzeugt.

Begleitet wurden die Finalisten im entscheidenden Konzert von der Badischen Staatskapelle unter dem zupackenden, immer vorausahnenden Dirigat von Johannes Willig, Erster Kapellmeister des Theaters. Darauf ist dieser Wettbewerb angewiesen: Er kann nur an einem großen Haus mit Wagner-Tradition durchgeführt werden, denn das Finalprogramm entsteht recht kurzfristig, viel Zeit zum Proben bleibt da nicht. Das Badische Staatstheater ist ein solches Haus mit ausgewiesener Wagner-Erfahrung, das zuletzt mit seinem "Ring der Vielfalt" viel Aufsehen erregt hat und speziell mit seiner "Götterdämmerung" in der Inszenierung von Tobias Kratzer bei der aktuellen Kritiker-Wahl als "Inszenierung des Jahres" auf Platz zwei kam - nach den Bayreuther "Meistersingern" von Barrie Kosky.

Vier Frauen und zwei Männer hatten es ins Finale geschafft, ein Wagner-Tenor war nicht dabei. Neben Jessica Elevant hat vor allem die Altistin Ariana Lucas mit einer Szene der Waltraute aus der "Götterdämmerung" überzeugt. Die Amerikanerin ist Mitglied des Karlsruher Ensembles und wurde mit dem Peter-Selbach-Förderpreis zu Recht gewürdigt.

Die beiden tiefen Männerstimmen von Insu Hwang und Christoph Seidl teilen sich den Wolfgang-Wagner-Preis. Dass die deutsche Sopranistin Arminia Friebe bei der Preisverleihung leer ausging, ist schade, ihre Kostproben als Elsa und Sieglinde waren beeindruckend. Doch sie stand wie auch die russische Mezzosopranistin Anna Buslidze letztlich im Schatten der Gewinnerin Jessica Elevant. Diese scheint alles mitzubringen, was für eine Gesangskarriere von Bedeutung ist: Neben dem herausragenden Stimmmaterial und einer souveränen Technik verfügt sie auch noch über eine gewinnende, natürliche Bühnenpräsenz.

Achim Sieben moderierte das Finalkonzert so locker wie kenntnisreich, ein beispielhafter Moderator, der die Preisverleihung routiniert steuerte und das Mikrofon schließlich dem internationalen Wagner-Verbandspräsidenten Horst Eggers überließ: Dieser sähe den Wettbewerb in drei Jahren gerne wieder in Karlsruhe.