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01.05.2021
RWV Frankfurt - Aus Bankenstadt wird Musikstadt
Ulrike Kienzle präsentierte im Wagner-Salon am 29. April ihr Mammutprojekt zur Frankfurter Musikgeschichte
Im Wagner-Salon am 29. April, der diesmal von unserem Vorstandsmitglied André Weißbach moderiert wurde, schöpfte Dr. Ulrike Kienzle aus dem Vollen einer reichen Musikgeschichte der Stadt und stellte große Pläne vor.

Im Online-Treff erfuhren über 60 Gäste von der renommierten Musikwissenschaftlerin, welche Persönlichkeiten das hiesige Musikgeschehen prägten. Neben den Promis Hans Sachs, Georg Philipp Telemann, Niccolo Paganini, Clara Schumann, Engelbert Humperdinck und Franz Schreker machten wir Bekanntschaft mit alten Meistern wie Jakob Meiland oder Johann Andreas Herbst. Wir lernten nicht mehr existente Orte, wie die Barfüßerkirche (am Standort der heutigen Paulskirche) und das 1.800 Plätze-Konzerthaus Saalbau in der Junghofstraße kennen.

Zudem begegneten wir mit dem Musenverein Museum von 1808, der Frankfurter Mozart-Stiftung von 1838, dem Freien Deutschen Hochstift von 1859 und dem Dr. Hoch’s Konservatorium von 1878 noch heute aktiven Institutionen. Belebt wurde der kurzweilige Abend durch viele Fotos sowie Audio- & Video-Einspieler. Natürlich kamen auch die Vita und zahlreichen Projekte unseres Gastes nicht zu kurz. Im Zentrum stand das Mammutprojekt Musikstadt Frankfurt, das Ulrike Kienzle in den kommenden Jahren federführend umsetzen wird. 

Ihr Initiationserlebnis mit Richard Wagner hatte die 14-jährige Ulrike Kienzle mit den Meistersingern – selbstredend in Frankfurt: „Es ist der Vorhang meines Lebens aufgegangen.“ Seit diesem Moment wurde Wagner ihr „Begleiter durchs Leben“. Der letzte Zyklus des Jahrhundert-Rings von Patrice Chereau 1980 war ihr erstes Bayreuth-Erlebnis: „Ich bin von einer Freude in die andere geraten.“

In zahlreichen Publikationen und Vorträgen geht sie der Leitfrage nach, was an Richard Wagner und seinem kompositorischen Schaffen so faszinierend und groß ist. Besonders die Aspekte Religion und Philosophie sowie Liebe und Erlösung in seinen Musikdramen bilden Schwerpunkte. Daneben beschäftigt sie ganz allgemein die Frage, was Musik als Lebenselexir mit uns Menschen macht.

Wenn es um das Frankfurter Musikleben geht, ist Ulrike Kienzle eine Wissensbank und Wissensvermittlerin. Als letzte große Ausstellung kuratierte sie 2019 die Clara Schumann-Schau im Institut für Stadtgeschichte. Schon 2010 verantwortete sie die Schumann-Jubiläumsausstellung der Frankfurter Bürgerstiftung. Und manchmal gibt es sie noch, die großen Entdeckungen. In einer Schachtel aus dem Bestand der Frankfurter Mozart-Stiftung fand sie im Januar 2013 unverhofft die handgeschriebene Partitur eines Streichquartetts, mit dem sich der 14-jährige Max Bruch 1852 erfolgreich um ein Stipendium bei der Mozart-Stiftung bewarb. Ulrike Kienzle recherchierte gerade zu dem von der Frankfurter Bürgerstiftung beauftragten Buch über die Stiftungsgeschichte – ein echtes Highlight für die Musikforscherin.

Künftige Tätigkeitsfelder sind die der Kuratorin für Musik im Deutschen Romantik-Museum, die Kienzles Klassik beim Alte Oper Campus der Konzertsaison 2021/2022 und ein Parsifal-Seminar am 4. Advent-Wochenende 2021 in der Wiener Staatsoper.

Im Zentrum aber steht die über mehrere Jahre angelegte Forschungsarbeit Musikstadt Frankfurt, die Ulrike Kienzle abermals im Auftrag der Frankfurter Bürgerstiftung leistet. Die spannende Musikgeschichte, die vom ersten Messbuch mit gregorianischen Chorälen aus dem 11. Jahrhundert bis zum Ensemble Modern reicht, sei in der heutigen Banken- und Messestadt weitgehend unterrepräsentiert. Schon zu Zeiten der Kaiserkrönungen galt in der freien Reichsstadt (anders als an Königs- und Fürstenhöfen) das Gesetz von Angebot und Nachfrage auch für schaffende und ausführende Künstler. „Gott bewahre jeden Künstler vor Frankfurt“, machte damals als geflügeltes Wort die Runde. Dass man auch anderer Meinung sein kann, bewies Franz Schreker, der in Frankfurt eine künstlerische Heimat fand und hier vier seiner neun Opern uraufführen ließ. Der Sensationserfolg von 1920 Die Schatzgräber waren „der Stadt Frankfurt am Main und ihrem Opernhaus in Dankbarkeit zugeeignet“.

Im Holzhausenschlösschen ist 2022 eine umfangreiche Ausstellung zum Musikleben unserer Stadt geplant, zudem begleitende Konzerte – Vorträge – Publikationen – Online-Sessions. 2026 soll eine zwei Bände umfassende Abschlussdokumentation erscheinen.
Alle musikliebenden Bürgerinnen und Bürger sind aufgerufen, sich an diesem Mammutprojekt zu beteiligen. Beispielsweise sucht Ulrike Kienzle Zeitzeugen der „Gielen-Ära“, die ihr ihre Erlebnisse mit dem großen Frankfurter GMD schildern möchten. Gerne stellt der RWV Frankfurt den direkten Kontakt dafür her, wenn Sie sich einbringen möchten.