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09.04.2016
Tannhäuser, März 2016, Havanna /Kuba
Der deutsche Botschafter Thomas Neisinger hob im Rahmen des Empfanges in seiner „Residenza“ am 23.03.16 das Engagement der auswärtigen Organisationen (Goetheinstitut, RWV International, RWV München, Deutsche Botschaft, Österreichische Botschaft, Paolo Jucker aus Mailand) und insbes. deren Kooperation mit den verschiedenen kubanischen Kulturinstitutionen hervor.
Auf kaum einem anderen Gebiet könne Kuba international im Moment so beherzt auf Augenhöhe mit eigenen Talenten auf höchstem Niveau mithalten und aufhorchen lassen wie auf dem Gebiet der Kunst. Davon konnten sich auch die Besucher der beiden Vorstellungen des Tannhäuser am 26./27.03.2016 im komplett neu renovierten „Gran Teatro Alicia Alonso“ überzeugen (Die hoch betagte Namensgeberin/Ballettlegende war persönlich anwesend).
Im November 2014 saß man in kleiner Runde im Teatro Lirico zusammen, um - noch unter dem Eindruck der gelungenen Aufführung des „Holandes Errante - Der Fliegender Holländer“ im Jahr 2013 erneut eine Kraftanstrengung zu beschließen. Mit dem „Tannhäuser“ wollte man sich kubanische Tanztugenden zunutze machen. Chor, Großes Orchester, Ballett, schwierige Solopartien – das alles klang freilich viel zu komplex und zu ehrgeizig, um in kubanische Theaterrealität umgesetzt werden zu können. Und das Theatergebäude selbst war damals eine wüste Baustelle mit guten Aussichten auf Konkurrenz zum Berliner Flughafen, was den Fertigstellungstermin anbelangt.
Die ersten konkreteren Weichenstellungen erfolgten in Erfurt und München. Samuel Baechli hatte aus der Pariser Fassung der Partitur eine Strichfassung erstellt, die sich allerdings in Teilen (Venusberg) immer noch als unspielbar für das Orchester erwies. Der Stipendiat Felix Spreng (ehemaliger Stipendiat des RWV München) unternahm es, kleinere Teile des Bacchanals und der korrespondierenden Schlussszene für kleine Besetzung zu arrangieren. Der Dirigent, der das Alles in den Griff bekommen sollte und dem man das am ehesten zutrauen konnte (Kuba-Erfahrung mit der Zauberflöte/Flauta Magica) war schnell gefunden: Walter E. Gugerbauer (früher Erfurt).
Vor Ort unternahm der erfahrene und kuba-gestählte Regisseur Andreas Baesler alles, um geeignete Solisten, Chor, Tanz-Kompagnie (Danzas Retazos) und Musiker für das Projekt zu gewinnen.
In mehreren Workshops gelang es der Münchner Korrepetitorin Susanna Klovsky (ehemalige Stipendiatin des RWV München) dem Chor und vor allem den Solisten Diktion und Sinngehalt ihrer Partien zu vermitteln: auf Deutsch wird hier so gut wie nicht gesungen oder gesprochen.
Für die Bühne wurde „Staatskünstler“ KCHO gewonnen, der Exponate aus seinem eigenen Museum beisteuerte. Alles lief so weit gut, bis… ja, bis ruchbar wurde, dass US-Präsident Obama
nicht nur zeitgleich zur geplanten Premiere nach Kuba kommen würden, sondern ausgerechnet im Gran Teatro seine historische Rede halten würde. Dies bedeutete eine längere komplette Sperre des Theaters aus Sicherheitsgründen und damit eine gravierende Behinderung der Probenarbeiten.
Selbst für kubanische Verhältnisse waren nun der Improvisationsbedarf so groß, dass man mit Bangen auf die (unaufschiebbare) Premiere blicken musste.
Als sich schließlich der Vorgang hob, war die Nervosität anfangs mit Händen zu greifen und einige Wackler und Unsicherheiten unvermeidlich. Dies fiel jedoch angesichts der feingewebten, durchdachten Regie, des streckenweise genialen Lichtdesigns (Stefan Bolliger) und des Willens aller Beteiligter, Wagners Werk würdig auf die karibische Bühne zu bringen, nicht weiter ins Gewicht.
Die Tänzer von „Danzas retazos“ brachten eine stimmig-schwüle Choreographie der Venusbergszene zustande (Choreographie: Isabel Bustos) und bewiesen ihr Können ganz im Dienste der Aufführung.
Im weiteren Verlauf des Abends erwiesen sich tänzerische Doubles von „Elisabeth“, „Venus“, und „Tannhäuser“ als geschickt eingesetzte zusätzliche Emotionsrepräsentanten der jeweiligen Protagonisten.
Die Hauptverantwortung gleich zu Beginn aber lag auf Alioska Jimenez („Venus“) und Yuri Hernandez („Tannhäuser“, bereits Wagner-erpobt als „Erik“), die sich beide mit voller Inbrunst und reichlich Gesangskultur in die Schlacht um Eros oder Askese warfen. Yuri Hernandez überzeugte dabei mit klarer Diktion und einer Tannhäuser-Interpretation, die jedem deutschen Stadttheater zur Ehre gereichen würde. Die bezaubernd dominierende schwarze Venus konnte stimmlich durchaus auf Augenhöhe mithalten, die Textverständlichkeit, ohnehin immer schwierig bei dieser Rolle, blieb sie freilich schuldig.
Die Schar der Minnesänger war von vorneherein deutlich gelichtet worden.
Wer übrig blieb, ließ aufhorchen: Der „Wolfram“ von Jorge Martinez (Mexiko, Kuba, derzeit Engagement in Flensburg) besaß kernige Durchschlagsfähigkeit, ohne die weniger Wagner-erfahrenen Mitstreiter in Gefahr zu bringen. Mancher im Publikum hatte sich vielleicht gerade einmal nach einem Wolfram gesehnt, der zwar edle Motive besitzt und diese auch durch besondere stimmliche Sanftheit und Ruhe ausstrahlt, dabei jedoch immer noch ein starker Mann aus Fleisch und Blut bleibt und kein Heiliger Märtyrer wird, der vor Edelmut zergeht. Ein durchaus starkes Rollenportrait, das der gesamten Aufführung sehr gut tat.
Reinier Borrgeo als Walther hielt tapfer mit und sang belcantohaft mit angenehm frischem Tenor.
Johana Simon war als „Elisabeth“ zu hören; sie ist ja in Bezug auf Wagner längst kein unbeschriebenes Blatt mehr: sensationelle Senta im Jahr 2013, herausragende Interpretation der Wesendonck-Lieder in München und Bayreuth-Stipendium mit Konzertbeitrag im Jahre 2015.
Auch sie legte die Premierennervosität schnell ab und sang mit ihrem sicher noch weiter entwicklungsfähigen Sopran die Partie auf sehr gutem Niveau und mit viel Hingabe und Bühnenpräsenz. Die zweite Aufführung übernahm mit Milagros de los Angeles ebenfalls eine junge Kubanerin mit stimmlichem Ausnahmetalent - dem Vernehmen nach konnte sie ebenfalls überzeugen.
Als König Heinrich bewährte sich einmal mehr mit sauberem schwarzem Bass Marcos Lima (Bayreuth Stipendiat des RWV München, im Jahr 2013 bereits als „Daland“ zu hören). Er spielt behutsam und überzeugend, fühlt sich gesanglich schön in die Rolle und konnte inzwischen auch seine deutsche Aussprache klar verbessern.
Mit der kleinen salonorchesterhaften Bühnenbesetzung zu den Venusbergklängen (platziert auf der Hinterbühne) wurde eine Orchesternot zur Tugend gemacht. Die Begleitung war hier zwar nicht gerade akustisch üppig ausgefallen, reichte aber hin, die erforderliche Stimmung herzustellen. Der Chor konnte durchwegs gefallen und trug viel zum positiven Gesamteindruck bei.
Vor allem aber die Koordination zwischen all diesen Klangelementen herzustellen und auf der Bühne, auf der man gerade mal 3 Probentage hatte, aber ausgewogen zu präsentieren, daran wäre so mancher Dirigent schier verzweifelt. Nur wenn man Walter Gugerbauer ein wenig kennt, wenn man vor ihm steht und ihn argumentieren hört und auch beim Musizieren zusieht, versteht man, dass seine unaufdringliche, ruhige Art im Umgang, gepaart mit Kompetenz und Freude am ungewöhnlichen Experiment, das Erfolgsgeheimnis schlechthin gewesen sein muss.
Er arbeitete hart mit den willigen - aber gerade was das deutsche Fach anbelangt - größtenteils völlig unerfahrenen Musikern, die oft sich in Nebenjobs durchschlagen müssen und auch schon einmal eine Probe ausfallen lassen müssen, um – im wahrsten Sinne des Wortes – sich und der Familie durch einen Zusatzverdienst bei einer etwas weniger hehren Klangproduktion das Überleben zu sichern.
Einige Worte zur Regie: schon war von einer konzertanten Aufführung geraunt worden, aber so leicht wirft ein Profi vom Schlage eines Andreas Baesler nicht die Flinte ins Korn.
Alle Elemente einer ordentlichen Tannhäuser Aufführung wurden von der Personenregie und der gesamten Bühnengestaltung her sauber umgesetzt. Die Skulpturen des Künstler KCHO fügten sich in eine Interpretation, die manchem, was in Deutschland an Provokations-Installation gelegentlich bebuht wird, turmhoch überlegen war, sodass man ins Staunen geriet.
Budgetfreie Zone? Na und!
Zwei Besonderheiten seien hier herausgestellt: Die Edelleute, die beim Einzug der Festgäste erscheinen, waren Ballettänzer. Allerdings hatten diese Gäste arge Ticks und stellten schlimme Exaltiertheiten zur Schau. Vom Volk haben sich diese Spitzen der Gesellschaft jedenfalls gründlich entfremdet. Wer hätte nicht bereits komische VIP-Gockel auf Rotem Teppich gesehen:
„In der Götter neuem Glanze sonnt euch selig fortan!“ (Wagner, Das Rheingold)
Am Ende geschah Unerhörtes: der Strichfassung geschuldet und von der Regie gefordert, kehrt diesmal Tannhäuser in den Venusberg zurück und bleibt dort. Die tote Elisabeth wird hereingetragen, es folgt der Zusammenbruch.
Am Ende großer Jubel: von Obama oder den Rolling Stones sprach niemand bei der anschließenden Premierenfeier. Diejenigen, die dabei waren in jenen historischen Tagen im März 2016 in Havanna haben viel zu berichten: von „Wandel und Wechsel“, den „liebt, wer lebt“: nicht nur auf Kuba.
Karl Russwurm, RWV München, 09.04.16
Auf kaum einem anderen Gebiet könne Kuba international im Moment so beherzt auf Augenhöhe mit eigenen Talenten auf höchstem Niveau mithalten und aufhorchen lassen wie auf dem Gebiet der Kunst. Davon konnten sich auch die Besucher der beiden Vorstellungen des Tannhäuser am 26./27.03.2016 im komplett neu renovierten „Gran Teatro Alicia Alonso“ überzeugen (Die hoch betagte Namensgeberin/Ballettlegende war persönlich anwesend).
Im November 2014 saß man in kleiner Runde im Teatro Lirico zusammen, um - noch unter dem Eindruck der gelungenen Aufführung des „Holandes Errante - Der Fliegender Holländer“ im Jahr 2013 erneut eine Kraftanstrengung zu beschließen. Mit dem „Tannhäuser“ wollte man sich kubanische Tanztugenden zunutze machen. Chor, Großes Orchester, Ballett, schwierige Solopartien – das alles klang freilich viel zu komplex und zu ehrgeizig, um in kubanische Theaterrealität umgesetzt werden zu können. Und das Theatergebäude selbst war damals eine wüste Baustelle mit guten Aussichten auf Konkurrenz zum Berliner Flughafen, was den Fertigstellungstermin anbelangt.
Die ersten konkreteren Weichenstellungen erfolgten in Erfurt und München. Samuel Baechli hatte aus der Pariser Fassung der Partitur eine Strichfassung erstellt, die sich allerdings in Teilen (Venusberg) immer noch als unspielbar für das Orchester erwies. Der Stipendiat Felix Spreng (ehemaliger Stipendiat des RWV München) unternahm es, kleinere Teile des Bacchanals und der korrespondierenden Schlussszene für kleine Besetzung zu arrangieren. Der Dirigent, der das Alles in den Griff bekommen sollte und dem man das am ehesten zutrauen konnte (Kuba-Erfahrung mit der Zauberflöte/Flauta Magica) war schnell gefunden: Walter E. Gugerbauer (früher Erfurt).
Vor Ort unternahm der erfahrene und kuba-gestählte Regisseur Andreas Baesler alles, um geeignete Solisten, Chor, Tanz-Kompagnie (Danzas Retazos) und Musiker für das Projekt zu gewinnen.
In mehreren Workshops gelang es der Münchner Korrepetitorin Susanna Klovsky (ehemalige Stipendiatin des RWV München) dem Chor und vor allem den Solisten Diktion und Sinngehalt ihrer Partien zu vermitteln: auf Deutsch wird hier so gut wie nicht gesungen oder gesprochen.
Für die Bühne wurde „Staatskünstler“ KCHO gewonnen, der Exponate aus seinem eigenen Museum beisteuerte. Alles lief so weit gut, bis… ja, bis ruchbar wurde, dass US-Präsident Obama
nicht nur zeitgleich zur geplanten Premiere nach Kuba kommen würden, sondern ausgerechnet im Gran Teatro seine historische Rede halten würde. Dies bedeutete eine längere komplette Sperre des Theaters aus Sicherheitsgründen und damit eine gravierende Behinderung der Probenarbeiten.
Selbst für kubanische Verhältnisse waren nun der Improvisationsbedarf so groß, dass man mit Bangen auf die (unaufschiebbare) Premiere blicken musste.
Als sich schließlich der Vorgang hob, war die Nervosität anfangs mit Händen zu greifen und einige Wackler und Unsicherheiten unvermeidlich. Dies fiel jedoch angesichts der feingewebten, durchdachten Regie, des streckenweise genialen Lichtdesigns (Stefan Bolliger) und des Willens aller Beteiligter, Wagners Werk würdig auf die karibische Bühne zu bringen, nicht weiter ins Gewicht.
Die Tänzer von „Danzas retazos“ brachten eine stimmig-schwüle Choreographie der Venusbergszene zustande (Choreographie: Isabel Bustos) und bewiesen ihr Können ganz im Dienste der Aufführung.
Im weiteren Verlauf des Abends erwiesen sich tänzerische Doubles von „Elisabeth“, „Venus“, und „Tannhäuser“ als geschickt eingesetzte zusätzliche Emotionsrepräsentanten der jeweiligen Protagonisten.
Die Hauptverantwortung gleich zu Beginn aber lag auf Alioska Jimenez („Venus“) und Yuri Hernandez („Tannhäuser“, bereits Wagner-erpobt als „Erik“), die sich beide mit voller Inbrunst und reichlich Gesangskultur in die Schlacht um Eros oder Askese warfen. Yuri Hernandez überzeugte dabei mit klarer Diktion und einer Tannhäuser-Interpretation, die jedem deutschen Stadttheater zur Ehre gereichen würde. Die bezaubernd dominierende schwarze Venus konnte stimmlich durchaus auf Augenhöhe mithalten, die Textverständlichkeit, ohnehin immer schwierig bei dieser Rolle, blieb sie freilich schuldig.
Die Schar der Minnesänger war von vorneherein deutlich gelichtet worden.
Wer übrig blieb, ließ aufhorchen: Der „Wolfram“ von Jorge Martinez (Mexiko, Kuba, derzeit Engagement in Flensburg) besaß kernige Durchschlagsfähigkeit, ohne die weniger Wagner-erfahrenen Mitstreiter in Gefahr zu bringen. Mancher im Publikum hatte sich vielleicht gerade einmal nach einem Wolfram gesehnt, der zwar edle Motive besitzt und diese auch durch besondere stimmliche Sanftheit und Ruhe ausstrahlt, dabei jedoch immer noch ein starker Mann aus Fleisch und Blut bleibt und kein Heiliger Märtyrer wird, der vor Edelmut zergeht. Ein durchaus starkes Rollenportrait, das der gesamten Aufführung sehr gut tat.
Reinier Borrgeo als Walther hielt tapfer mit und sang belcantohaft mit angenehm frischem Tenor.
Johana Simon war als „Elisabeth“ zu hören; sie ist ja in Bezug auf Wagner längst kein unbeschriebenes Blatt mehr: sensationelle Senta im Jahr 2013, herausragende Interpretation der Wesendonck-Lieder in München und Bayreuth-Stipendium mit Konzertbeitrag im Jahre 2015.
Auch sie legte die Premierennervosität schnell ab und sang mit ihrem sicher noch weiter entwicklungsfähigen Sopran die Partie auf sehr gutem Niveau und mit viel Hingabe und Bühnenpräsenz. Die zweite Aufführung übernahm mit Milagros de los Angeles ebenfalls eine junge Kubanerin mit stimmlichem Ausnahmetalent - dem Vernehmen nach konnte sie ebenfalls überzeugen.
Als König Heinrich bewährte sich einmal mehr mit sauberem schwarzem Bass Marcos Lima (Bayreuth Stipendiat des RWV München, im Jahr 2013 bereits als „Daland“ zu hören). Er spielt behutsam und überzeugend, fühlt sich gesanglich schön in die Rolle und konnte inzwischen auch seine deutsche Aussprache klar verbessern.
Mit der kleinen salonorchesterhaften Bühnenbesetzung zu den Venusbergklängen (platziert auf der Hinterbühne) wurde eine Orchesternot zur Tugend gemacht. Die Begleitung war hier zwar nicht gerade akustisch üppig ausgefallen, reichte aber hin, die erforderliche Stimmung herzustellen. Der Chor konnte durchwegs gefallen und trug viel zum positiven Gesamteindruck bei.
Vor allem aber die Koordination zwischen all diesen Klangelementen herzustellen und auf der Bühne, auf der man gerade mal 3 Probentage hatte, aber ausgewogen zu präsentieren, daran wäre so mancher Dirigent schier verzweifelt. Nur wenn man Walter Gugerbauer ein wenig kennt, wenn man vor ihm steht und ihn argumentieren hört und auch beim Musizieren zusieht, versteht man, dass seine unaufdringliche, ruhige Art im Umgang, gepaart mit Kompetenz und Freude am ungewöhnlichen Experiment, das Erfolgsgeheimnis schlechthin gewesen sein muss.
Er arbeitete hart mit den willigen - aber gerade was das deutsche Fach anbelangt - größtenteils völlig unerfahrenen Musikern, die oft sich in Nebenjobs durchschlagen müssen und auch schon einmal eine Probe ausfallen lassen müssen, um – im wahrsten Sinne des Wortes – sich und der Familie durch einen Zusatzverdienst bei einer etwas weniger hehren Klangproduktion das Überleben zu sichern.
Einige Worte zur Regie: schon war von einer konzertanten Aufführung geraunt worden, aber so leicht wirft ein Profi vom Schlage eines Andreas Baesler nicht die Flinte ins Korn.
Alle Elemente einer ordentlichen Tannhäuser Aufführung wurden von der Personenregie und der gesamten Bühnengestaltung her sauber umgesetzt. Die Skulpturen des Künstler KCHO fügten sich in eine Interpretation, die manchem, was in Deutschland an Provokations-Installation gelegentlich bebuht wird, turmhoch überlegen war, sodass man ins Staunen geriet.
Budgetfreie Zone? Na und!
Zwei Besonderheiten seien hier herausgestellt: Die Edelleute, die beim Einzug der Festgäste erscheinen, waren Ballettänzer. Allerdings hatten diese Gäste arge Ticks und stellten schlimme Exaltiertheiten zur Schau. Vom Volk haben sich diese Spitzen der Gesellschaft jedenfalls gründlich entfremdet. Wer hätte nicht bereits komische VIP-Gockel auf Rotem Teppich gesehen:
„In der Götter neuem Glanze sonnt euch selig fortan!“ (Wagner, Das Rheingold)
Am Ende geschah Unerhörtes: der Strichfassung geschuldet und von der Regie gefordert, kehrt diesmal Tannhäuser in den Venusberg zurück und bleibt dort. Die tote Elisabeth wird hereingetragen, es folgt der Zusammenbruch.
Am Ende großer Jubel: von Obama oder den Rolling Stones sprach niemand bei der anschließenden Premierenfeier. Diejenigen, die dabei waren in jenen historischen Tagen im März 2016 in Havanna haben viel zu berichten: von „Wandel und Wechsel“, den „liebt, wer lebt“: nicht nur auf Kuba.
Karl Russwurm, RWV München, 09.04.16